Mörderische Zeiten in der Nachbarschaft

Ein Blick auf unsere bisherigen Geschichten zeigt, dass die Mehrzahl in Borstendorf handelt, was ja auch gewollt ist. Aber auch in den Orten des Verwaltungsverbandes gab es allerhand zu entdecken aus den Zeiten, da es den Verband noch gar nicht gab.

Aus unserer Hauptstadt haben wir hin und wieder berichtet, aber Material hätten wir noch genug, und die dortige AG Chronik belebt auch zunehmend unser Amtsblatt.

Waldkirchen meldet sich erfreulicherweise neuerdings öfter zu Wort, nur Börnichen, das Dorf auf dem Hochplateau mit seinen schmucken Häuschen mit dem wir in „wilder Ehe“ leben, lässt wenig von sich hören. Dabei leben hier bestimmt lauter Saubermänner, aber vor knapp 450 Jahren sah das anders aus. Umgeben von dichtem Wald lebte es sich hier gefährlich.

Daran dachte der Fleischerknecht nicht, als er am 18. Juni 1563 auf der „Marienbergischen Straße“ durch den Bornwald ging. Früh um 8 Uhr lauerten ihm drei Räuber auf. An Geld nahmen sie ihm „acht alte Schock sowie seinen Rock, den Hut, die Beinkleider und die Weste“ ab und banden ihn an einen Baum. Nachdem er sich selbst befreit hatte, rannte er zum Gericht in Börnichen. Die Räuber vermutete man in Börnichen oder in Lengefeld, aber seine vage Beschreibung, sie seien in Bauernkitteln gewesen, führte zu keinem Fahndungserfolg, die Unholde entkamen unerkannt.

Von ganz anderem Kaliber, das sogar den regierenden Herzog beschäftigte, lesen wir in einem Brief des „Churfürstlichen“ Herrn:

Wir von Gottes Gnaden Johann Georg Herzogk zu Sachsen,Jülich, Cleve und Bergk etc.Churfürst  

Lieber Getreuer! Wir haben aus einem eingeschickten Bericht verlesen hören welcher Gestalt der bißher gewesene Förster zu Börnichen Hans Tischmacher sonst nur Pommer genannt sich nicht allein des Partierens von Holz beflißen, sondern auch einen Bauer nahmens Christoph Rümmler nebenst seinem Stiefsohn grausamlich ermordet haben soll. Du solltest alle Förster und Forstknechte, aber auch viel andere Leute befragen, wie wann und wieviel der Pommer Holz auf seine Tasche verkauft hat. Daran geschieht unser Wille.

Datum, Dresden den 13. Septembris 1631

Wir sehen, das Wichtigste war dem Herzog das Holz, was zählten da zwei Bauern!

Folgendes aber wurde berichtet: Christoph Rümmler, sein Stiefsohn und der Pommer fuhren mit zwei starken Ochsen in den Wald auf der Krumhermersdorfer Flur und blieben von da an verschwunden.

Licht kam erst nach geraumer Zeit in die Sache, als der Häusler Hans Viererbe von Krumhermersdorf am Vogelherd war. Er habe dort Holz gemacht und wollte nach getaner Arbeit am Brunnen Wasser trinken, da habe er einen fürchterlichen Gestank wahrgenommen. In einer alten Grube lag der tote Körper eines jungen Menschen, mit Moos und Zweigen bedeckt, aber schon stark verwest. Kaum einen Steinwurf entfernt, bei einem Bächlein an der alten Brücke lag ein Hut mit einem Loch „wie mit einem Beil gemacht.“ Es gab auch noch Blutspuren auf dem Waldweg. Daneben war Christoph Rümmler verscharrt worden, er war von wilden Tieren stark angefressen.

Sofort gingen die Untersuchungen los und natürlich verbreiteten sich auch die wildesten Gerüchte. Einer hatte am Tage zuvor mit dem Pommer in Zschopau Bier getrunken und der habe dabei gesagt, er müsse dem Lehnrichter von Waldkirchen die Bude anbrennen. Auch soll er einen Hausgenossen in das Forsthaus (Foto) zu seinem Weib geschickt haben um Hemd und   Hirschfänger zu holen. Der Pommer hätte an der Flachsdörre gewartet. Auch in der Nähe der „Roten Pfütze“ (Gasthaus) wurde er gesehen. Dort hat er den Lehnrichter von Großolbersdorf mit seinem Rohr (Flinte) bedroht, als der ihm nicht gleich sein Pferd hergab.

Zitternd vor Angst floh der Richter in den Berbisdorfer Wald, der Pommer aber ritt von dannen. Aber wo war die Holzfuhre mit den Ochsen? Eine Borstendorfer Marktfrau – wer sonst – berichtete, sie hätte einen Knecht mit einem schönen roten Ochsen getroffen. Der Knecht erzählte, sein Herr, der Bauer Meiner aus Ehrenfriedersdorf, habe zwei Ochsen mit Wagen für 24 Taler gekauft und davon einen gleich wieder weiterverkauft. Sein Herr hätte das Fuhrwerk von einem Mann erworben, der wie ein Bauer gekleidet war, aus Börnichen sei und zwei Hüte auf dem Kopf getragen hätte. Verständlich, dass die Witwe Rümmler ihre zwei Zugtiere und den Wagen wiederhaben wollte. Das war dann ein Fall für das Gericht in Annaberg.

Und der Förster, genannt Pommer? Er blieb für immer verschwunden. Mit Sicherheit ist er zu den Soldaten gegegangen. Der 30jährige Krieg tobte schon 13 Jahre, und da konnte er seine Mordlust an der Bevölkerung stillen und war nicht greifbar.

Eine kleine Schlussanekdote hat sicher auch einen kriminellen Hintergrund, kündet aber zugleich von Freude und Leid fast 300 Jahre später:

Leipzig, 3.10. 1905

Vor Freude gestorben ist ein Schuhmacher in Leipzig. Der Mann befand sich in Untersuchungshaft. Nun wurde ihm eröffnet, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt und  und er entlassen sei. Starr stand der Mann bei dieser Nachricht einen Augenblick, dann brach er zusammen und heftiges Erbrechen trat ein. Im Krankenhause, wohin der Unglückliche gebracht wurde, ist er am Sonnabend gestorben.

Bernd Köhler, Dieter Fritzsche, Dietmar Ender

Quelle: Staatsarchiv, Augustusburger Wochenblatt und Anzeiger